Sowohl politisch und gesellschaftsrechtlich, als auch arbeitsrechtlich ist eine zunehmende Thematisierung sexueller Belästigung im Arbeitsrecht festzustellen. Die Ursachen hierfür sind sicherlich auf gesellschaftliche Entwicklungen zurück zu führen, bei denen völlig ungeklärt scheint, ob ein Verhalten der Täter, dass jeder Sozialadäquanz entbehrt ursächlich ist oder Wahrnehmungen der Belästigten, die von dem Verhalten in der Vergangenheit abweichen. Tatsache ist, dass für Arbeitgeber konkreter Handlungsbedarf besteht.

Dieser Handlungsbedarf resultiert aus mehreren Gesichtspunkten. Bereits die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gebietet es sexuellen Belästigungen von Beschäftigten vorzubeugen und sie im Falle ihrer Ausübung abzustellen. Darüber hinaus ist diese Verpflichtung in § 12 Abs. 3 des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) normiert. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen von Beschäftigten gegen das Benachteiligungsverbot, worunter auch sexuelle Belästigungen fallen, im Einzelfall geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Schließlich dürfte es sich ein Arbeitgeber bei der Sensibilität des Thema schon reputationstechnisch kaum leisten können und wollen, solche Zustände hinzunehmen.

Maßgeblich richtungsweisend für das Verhalten des Arbeitgebers ist derzeit das Urteil des BGH vom 09.06.2011 (2 AZR 223/10 in NZA 2012, 1342) und die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg Vorpommern vom 14.08.2012 (5 Sa 324/11 in ArbRB 2012, 365). Der BGH hat herausgestellt, dass eine sexuelle Belästigung eine Verletzung von vertraglichen Pflichten darstellen kann, die bereits „an sich“ als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung zu qualifizieren sein kann. Ob im Einzelfall ein Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, u. a. von Umfang und Intensität der fraglichen Handlung (Rd.-Nr. 16).

Eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuelle bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkung sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterung, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (vgl. Rd.-Nr. 18). Besondere Beachtung verdient der Umstand, dass das BAG ausdrücklich klargestellt hat, dass sich verbale Belästigungen nicht generell in einem weniger gravierenden Bereich verhalten, sondern – je nach Intensität der verbalen Belästigung – vielmehr erheblich sein können und alsdann als sexuelle Belästigung im Sinne des AGG zu qualifizieren sind.

Somit hat das BAG klargestellt, dass sexuelle Belästigung – auch in verbaler Form – durchaus als fristloser Kündigungsgrund in Betracht kommen. Im Rahmen der Gesamtwürdigungen sind alsdann die bekannten Grundsätze maßgeblich, wonach im Detail unter Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, die sich jedoch nicht abstrakt abschließend festlegen lassen. Zu berücksichtigen sind regelmäßig das Gewicht und die Auswirkung einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können – je nach Lage des Falls – Bedeutung gewinnen. Eine außerordentliche Kündigung kommt alsdann nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichen unzumutbar sind. Der grundsätzliche Verhaltensmäßigkeitsgrundsatz ist alsdann auch durch die Regelung des § 12 Abs. 3 AGG konkretisiert. Im vom BGAG entschiedenen Fall wurde die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung nach einer bereits vorangegangenen Abmahnung für zulässig gehalten. Das LAG MV hielt in dem ihm zur Entscheidung vorliegenden Fall sogar eine vorherige Abmahnung für entbehrlich.

Damit ist geklärt, dass unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Maßstäbe für fristlose oder fristgemäße Kündigungen sexuelle Belästigungen zu solchen Kündigungsgründen führen können. Da der Arbeitgeber bereits nach den Vorgaben des AGG einem regelrechten Handlungszwang unterliegt, jedoch mit den Unwägbarkeiten der Gesamtwürdigung eines arbeitsvertraglichen Pflichtverstoßes konfrontiert ist, muss sein oberstes Interesse der Vermeidung einschlägiger Fälle dienen, zu der er ohnehin nach den Vorgaben des AGG gem. § 12 Abs. 1 verpflichtet ist. Es ist den Arbeitsgebern somit dringend zu empfehlen im Rahmen von Schulungen sämtliche Arbeitnehmer für die Brisanz dieses Themenbereichs und die im Einzelfall eventuell weitreichenden Konsequenzen zu sensibilisieren.

Nikolai Manke

Nikolai Manke

Rechtsanwälte Zimmermann & Manke

  • Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter
  • Fachanwalt für Arbeitsrecht
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Fachanwalt für Insolvenzrecht
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