Jeder Gläubiger einer Forderung darf beim zuständigen Mahngericht einen Antrag auf den Erlass eines Mahnbescheids gegen seinen Schuldner stellen. In der Praxis machen Gläubiger hiervon auch häufig Gebrauch, so führt die Statistik des Statistischen Bundesamtes für 2017 mehr als 5.120.000 Verfahren auf. Das Mahnverfahren ist somit von großer praktischer Relevanz.
Der Zugang zum Mahnverfahren ist verhältnismäßig niedrigschwellig, da das Mahngericht nicht prüft, ob der von einem Gläubiger behauptete Zahlungsanspruch tatsächlich besteht und ob er ggf. noch durchsetzbar ist usw. Erfüllt der Antrag die formellen Voraussetzungen, erlässt das Mahngericht den beantragten Bescheid und stellt ihn dem Schuldner zu. Das hat Vorteile, aber auch Nachteile und kann für den Gläubiger durchaus erhebliche Kostenrisiken mit sich bringen.
Von Vorteil ist die nur sehr eingeschränkte Prüfung des Antrags durch das Gericht, denn so muss der Antragsteller keinen Begründungsaufwand wie z. B. für die Fertigung einer schlüssigen Klage in der Hauptsache betreiben. Auch dadurch nimmt das Mahnverfahren deutlich weniger Zeit in Anspruch als ein Klageverfahren: Erhebt der Schuldner darüber hinaus keinen Widerspruch gegen den ihm zugestellten Mahnbescheid und legt er weiter keinen Einspruch gegen einen auf Grundlage des Mahnbescheids erlassenen Vollstreckungsbescheid ein, gelangt der Gläubiger recht schnell zu einem vollstreckbaren Titel.
Der wohl wichtigste Vorteil des Mahnverfahrens allerdings dürfte die verjährungshemmende Wirkung des dem Schuldner zugestellten Mahnbescheids sein: Ansprüche (§ 194 BGB) verjähren regelmäßig nach drei Jahren (§ 195 BGB). Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 BGB). Alle im Jahr 2015 entstandenen Ansprüche verjähren also regelmäßig mit Ablauf des Jahres 2018. Die Ansprüche erlöschen dadurch zwar nicht, der Schuldner kann sich aber auf die Einrede der Verjährung berufen und die Erfüllung daher verweigern. Will der Gläubiger das verhindern, muss er verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen. Die §§ 203 ff BGB regeln verschiedene Hemmungstatbestände, von denen hier nur der aus § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB interessiert: Die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren.
Den Vorteilen des Mahnverfahrens stehen aber auch Nachteile gegenüber: Nur konsequent ist es z. B., nach Widerspruch gegen den Mahnbescheid nicht zu prüfen, ob der Schuldner sich zu Recht gegen die Forderung wehrt, sein Widerspruch also begründet ist oder nicht. Diese Prüfung obliegt nicht dem Mahngericht, sondern dem für das Hauptsacheverfahren zuständigen Gericht. Dementsprechend leicht kann sich ein Schuldner gegen einen Mahnbescheid zur Wehr setzten, denn er muss lediglich das dem Mahnbescheid beigefügte Formular korrekt ausfüllen – und das war es dann mit dem Mahnbescheid.
In diesem Fall ist es alleine Sache des Gläubigers, das Verfahren weiter zu betreiben oder nicht, wofür er ggf. eine den Anforderungen einer Klageschrift genügende Anspruchsbegründung fertigen (lassen) und beim Mahngericht einreichen müsste.
Ein weiterer damit in Zusammenhang stehender Nachteil des Verfahrens, der für den Gläubiger zugleich ein erhebliches Kostenrisiko bergen kann, folgt aus der Möglichkeit, bereits beim Beantragen des Mahnbescheids zugleich die Durchführung des streitigen Verfahrens für den Fall eines Widerspruchs des Schuldners gegen den Mahnbescheid zu beantragen. Erhebt der Schuldner dann Widerspruch gegen den Mahnbescheid, erhält der Gläubiger vom Mahngericht eine Widerspruchsnachricht und eine zweite Kostenrechnung über weitere Gerichtskosten, nach deren Zahlung das Mahngericht den Rechtsstreit an das für das Hauptsacheverfahren zuständige Gericht abgibt. Von dort erhält der inzwischen zum Kläger beförderte Antragsteller (Gläubiger) schließlich die freundliche Aufforderung, seinen ursprünglich mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Anspruch binnen einer Frist von zwei Wochen „in einer Form zu begründen, die der einer Klageschrift entspricht“.
Nur am Rande bemerkt: Das Überschreiten dieser Frist ist für den Kläger unschädlich, das Gericht kann allerdings erst nach Eingang der Anspruchsbegründung einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmen. Bis zu ihrem Eingang dagegen kann es das nur auf Antrag der Antragsgegnerin oder des Antragsgegners, was dem Schuldner somit zugleich eine feine Möglichkeit bietet, den Gläubiger ordentlich unter Druck zu setzen, was hier aber nicht weiter vertieft werden soll.
Übersteigt die Höhe der Forderung 5.000,00 €, ist spätestens jetzt ein Rechtsanwalt mit der Fertigung der Anspruchsbegründung (= Klageschrift) zu beauftragen, denn vor den dann zuständigen Landgerichten herrscht Anwaltszwang.
Der Rechtsanwalt prüft nun zunächst die Rechtslage und dabei insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage: Hat sie keine Aussicht auf Erfolg, weil der Anspruch gar nicht oder ursprünglich zwar entstanden war, gegenwärtig z. B. nach eingetretener Verjährung aber nicht mehr durchsetzbar ist oder der Schuldner etwa mit eigenen Forderungen aufrechnen kann, realisiert sich für den Gläubiger das voranstehend erwähnte Kostenrisiko. Betreibt er das Verfahren nicht weiter und nimmt er die Klage zurück, ermäßigen sich die Gerichtskosten zwar auf ein Drittel, was aber immer noch den sinnlosen Verlust von mehr als 1.600,00 € bei einem Gegenstandswert von 10.000,00 € und mehr als 2.200,00 € bei einem Gegenstandswert von 20.000,00 € (Anwalts- und Gerichtskosten) zur Folge hätte – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Teures und vor allem unnötig gezahltes Lehrgeld.
Konsequenzen für die Praxis
Auch wenn der Gläubiger einer Forderung selbst den Erlass eines Mahnbescheids beim zuständigen Mahngericht beantragen darf, können wir das aus voranstehend geschilderten Gründen nicht empfehlen. Stattdessen sollte die Forderung und ihre Durchsetzbarkeit zunächst anwaltlich geprüft werden und das gerichtliche Mahn- oder Klageverfahren nur bei hinreichender Erfolgsaussicht geführt werden. Andernfalls realisiert sich mit Pech das erwähnte Kostenrisiko.
Beantragt der Gläubiger den Erlass eines Mahnbescheids gleichwohl bereits selbst, empfehlen wir für den Fall eines Widerspruchs gegen den Mahnbescheid dringend, den weiteren Forderungseinzug spätestens mit Zugang der Widerspruchsnachricht in anwaltliche Hände zu geben. Keinesfalls aber sollten die weiteren Gerichtskosten ohne vorangegangene anwaltliche Prüfung beim Mahngericht eingezahlt werden – aus voranstehend dargelegten Gründen…
Dr. jur. Christian Behrens LL.M.
Rechtsanwalt und Notar
- Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
- Notar mit dem Amtssitz in Uelzen
- Schlichter für Baustreitigkeiten (SOBau)
- Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg
- Mitglied der ARGE Baurecht im DAV und der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V.
- Ehrenamtlicher Richter des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs (AGH) in Celle