Die Praxis zeigt, dass sich der Fachkräftemangel auch darauf auswirkt, dass ein merklich höheres Interesse besteht, rentenberechtigte Personen zu beschäftigen. Die damit verbundenen arbeitsrechtlichen Konsequenzen werden erfahrungsgemäß falsch eingeschätzt. In diesem Kontext veranlasst eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) vom 28.02.2018 zu diesem Beitrag.
Bei gänzlichem Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrages führt der Eintritt in das Rentenalter – entgegen häufiger Annahme – nicht automatisch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Nur eine arbeitsvertraglich dokumentierte Altersgrenzenregelung kann eine Befristung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) darstellen, soweit der Arbeitnehmer durch den Bezug einer gesetzlichen Altersrente abgesichert ist. Es existieren allerdings noch zahlreiche Arbeitsverträge, in denen auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abgestellt wird und damit zunächst eine unwirksame Befristung vorliegt.
Gemäß § 41 Satz 1 SGB VI ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Rente wegen Alters nicht als ein Grund anzusehen, der die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nach dem Kündigungsschutzgesetz bedingen kann. Eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der Arbeitnehmer vor Erreichen der geregelten Altersgrenze eine Rente wegen Alters beantragen kann, gilt gemäß § 41 Satz 2 SGB VI dem Arbeitnehmer gegenüber als auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen, sofern die Vereinbarung nicht innerhalb der letzten 3 Jahre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen oder von dem Arbeitnehmer innerhalb der letzten 3 Jahre vor diesem Zeitpunkt bestätigt wurde. Gemäß § 41 Satz 3 SGB VI können die Arbeitsvertragsparteien schließlich durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt gegebenenfalls auch mehrfach hinausschieben, wenn die Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht.
In seiner Entscheidung vom 28.02.2018 hat der EUGH ausgeführt, dass diese Regelung keine Altersdiskriminierung darstellt. Eine arbeitsvertragliche Regelung, die auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abstellt ist dahingehend auszulegen, dass die Parteien auf die jeweils aktuell geltende gesetzliche Regelaltersgrenze abstellen wollten (vgl. BAG Urt. v. 09.12.2015 – 7 AZR 68/17). Damit dürfte auch § 41 Satz 3 SGB VI auf solche Beendigungsvereinbarungen Anwendung finden. Eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über die Regelaltersgrenze hinaus ist somit möglich, muss jedoch zwingend während des bestehenden Arbeitsverhältnisses und vor Erreichen der Regelaltersgrenze schriftlich vereinbart werden. Wird der Arbeitnehmer hingegen über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus ohne eine entsprechende schriftliche Vereinbarung beschäftigt, handelt es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, das der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes unterliegt. Des Weiteren ist zu beachten, dass sich eine Weiterbeschäftigung unmittelbar an die bisherige Beschäftigung anschließen muss und in keinem Fall eine Unterbrechung vorliegen darf. Nach einer solchen Unterbrechung und Vorbeschäftigung ist eine Beschäftigung der rentenbezugsberechtigten Person im Rahmen einer sachgrundlosen Befristung, nicht mehr möglich. Schließlich ist zu beachten, dass die Fortbeschäftigung nach der Entscheidung des EUGH nur zu unveränderten Bedingungen erfolgen kann.
Die Beschäftigung einer rentenbezugsberechtigten Person ist außerhalb der vorbezeichneten Möglichkeiten gemäß § 14 Abs. 3 TzBfG möglich, sofern der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des Arbeitsverhältnisses mindestens 4 Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III war. Hierbei besteht jedoch das Risiko, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, da sie umstritten sind.
Es bleibt schließlich nur noch die Möglichkeit einer Sachgrundbefristung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 TzBfG, wenn zweifelsfrei dargelegt und gegebenenfalls bewiesen werden kann, dass die Befristung auf einem ausdrücklichen Interesse des Arbeitnehmers beruht, das dementsprechend in der schriftlichen Dokumentation aufgenommen sein sollte.
Konsequenzen für die Praxis
Zunächst ist somit darauf zu achten, dass eine arbeitsvertragliche Regelung besteht, die die Beendigung zum jeweils nach der aktuellen gesetzlichen Regelaltersgrenze vorgesehenen Zeitpunkt vorsieht. Sofern noch keine arbeitsvertragliche Anpassung erfolgt ist, ist zumindest anzunehmen, dass die Parteien auf eine solche abgestellt haben. Alsdann besteht die Möglichkeit vor Erreichen dieser Regelaltersgrenze gemäß § 41 Satz 3 SGB VI eine Weiterbeschäftigung anzuschließen und damit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinauszuschieben, wobei von einer Änderung der Konditionen des Arbeitsverhältnisses abzusehen ist. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist alsdann schriftlich zu dokumentieren. Sofern keine Anschlussbeschäftigung vorliegt und keine entsprechende vertragliche Regelung getroffen wurde, bleiben nur noch die Alternativen der umstrittenen Befristung eines zuvor beschäftigungslosen Arbeitnehmers, der das 52. Lebensjahr vollendet hat oder die Befristung auf ausdrücklichen Wunsch des Arbeitnehmers, der entsprechend zu dokumentieren ist.
Nikolai Manke
Rechtsanwälte Zimmermann & Manke
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