Regelmäßig hat der Auftraggeber (Bauherr) eines BGB-Bauvertrages vor der Abnahme des Werks keinerlei Mängelrechte, das hat der Bundesgerichtshof (BGH) zuletzt hinreichend deutlich klargestellt.
Ausnahmsweise aber kann dem Auftraggeber bereits vor der Abnahme ein Anspruch auf Erstattung der Kosten Ersatzvornahme für die Fertigstellung der Leistung zustehen: Voraussetzung hierfür ist der Verzug des Auftragnehmers mit der Herstellung des Werks – so zuletzt das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 17.06.2022 (Az.: 22 U 192/21).
Keine VOB/B im Verbraucherbauvertrag!
Ohne das unnötig wiederholen zu wollen, allerdings bestätigte das OLG mit seiner Entscheidung u. a. die auch hier vertretene Rechtsauffassung bzw. Empfehlung, wonach die VOB/B in einem mit einem privaten Auftraggeber geschlossene Bauvertrag nichts zu suchen hat. Zumal es – so auch hier – dem Unternehmer bzw. Verwender der VOB/B ( = AGB!) nur in den seltensten Fällen überhaupt gelingen dürfte, sie wirksam in den Vertrag einzubeziehen. Selbst wenn der Bauunternehmer in einem derartigen Bauvertrag auf die „VOB/B Bezug nimmt, wird sie nicht Vertragsbestandteil, wenn der Auftragnehmer dem Auftraggeber vor oder bei Vertragsschluss die VOB/B nicht übergeben hat“ (so das OLG im ersten Leitsatz der Entscheidung).
Und selbst wenn es gelingt, die VOB/B grundsätzlich in den Bauvertrag einzubeziehen, folgt daraus noch lange nicht die Wirksamkeit der einzelnen Klauseln und auch nicht die der sonstigen AGB des Auftragnehmers – dazu das OLG weiter:
Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftragnehmers, wonach „die Fertigstellung i.S. des Zahlungsplans bedeutet, dass die Arbeiten im Wesentlichen fertig gestellt sind und Rest- oder Nachbesserungsarbeiten nicht zur Zurückhaltung der gesamten Rate berechtigen“, benachteiligt den Auftraggeber unangemessen und ist unwirksam. (LS Nr. 4)
Keine konkludente (schlüssige) Abnahme vor Fertigstellung
Im Hinblick auf mögliche Mängelrechte des Auftraggebers stellt sich immer die Frage nach der Abnahme des Werks, denn grundsätzlich stehen ihm diese Rechte erst nach der Abnahme zu (s. o.). Auch das OLG hatte dementsprechend zunächst die Frage nach der Abnahme zu beantworten: In dem entschiedenen Fall hatten die Parteien sogar ein „Hausübergabeprotokoll“ gefertigt, das der Auftraggeber unterzeichnete. Gleichwohl wertete das Gericht dieses Protokoll nicht als Abnahme (im Rechtssinne – wohlgemerkt), weil diese immer die Fertigstellung der Leistung („Abnahmereife“) voraussetzt – und hier waren die Bauleistungen unstreitig noch gar nicht vollständig ausgeführt.
Grundsätzlich kann der Auftraggeber durchaus „ausdrücklich eine der Sache nach verfrühte Abnahmeerklärung“ abgeben – das muss er dann aber auch ausdrücklich erklären, eine konkludente (also durch schlüssiges Verhalten erklärte) Abnahme jedenfalls kommt „regelmäßig nicht in Betracht, wenn die beauftragten Leistungen noch nicht vollständig erbracht sind“ (so das OLG unter Verweis auf die Literatur).
Allerdings kann der Auftraggeber auch ohne / vor der Abnahme einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Ersatzvornahme (z. B. zwecks Fertigstellung des Werks durch ihn) haben.
Anspruch auf Kostenerstattung bei Verzug des Auftragnehmers
Gerät der Unternehmer mit der Fertigstellung des Werks in Verzug, ist der Auftraggeber auch vor der Abnahme des Werks nicht rechtlos gestellt. Das hatte zuletzt der BGH nochmals ausdrücklich klargestellt:
„Die Interessen des Bestellers sind durch die ihm vor der Abnahme aufgrund des allgemeinen Leistungsstörungsrechts zustehenden Rechte angemessen gewahrt: etwa Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 I BGB, Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 281, 280 BGB, Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung, § 280 II, § 286 BGB, Rücktritt nach § 323 BGB oder Kündigung aus wichtigem Grund entsprechend § 314 BGB.“ (BGH, Urteil v. 19.01.2017, Az.: VII ZR 235/15, Rn. 41)
In dem von dem OLG Düsseldorf entschiedenen Fall konnte der Beklagte (Auftraggeber) die von ihm für die Fertigstellung einzelner Bauleistungen aufgewandten Kosten als Schadensersatz im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB von der Klägerin (dem Bauunternehmen) verlangen, weil sie mit der Herstellung der von ihr geschuldeten Bauleistungen in Verzug geraten war.
Anspruch auf Kostenvorschuss bei Abrechnungsverhältnis
Weiter hatte das OLG darüber zu entscheiden, ob der Auftraggeber daneben auch einen Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses im Sinne von § 637 Abs. 3 BGB gegen den Unternehmer hatte. Grundsätzlich kann der Auftraggeber vor der Abnahme des Werks keinen Anspruch auf einen Kostenvorschuss aus § 637 Abs. 3 BGB haben, denn dieser Anspruch setzt – wie die übrigen Mängelrecht auch – die Abnahme voraus. Hier allerdings konnte der Bauherr einen Kostenvorschuss bereits vor der Abnahme verlangen, denn der Bauvertrag war bereits in ein bloßes Abrechnungsverhältnis übergegangen.
Ein solches Abrechnungsverhältnis liegt dann vor, wenn der Besteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist.
Allerdings ist der Vorschussanspruch allein nicht geeignet, das Abrechnungsverhältnis zu begründen, denn verlangt…
…der Besteller nach § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1, 3 BGB einen Vorschuss für die zur Beseitigung des Mangels im Wege der Selbstvornahme erforderlichen Aufwendungen, erlischt sein Erfüllungsanspruch nicht. Der Besteller ist berechtigt, auch nach einem Kostenvorschussverlangen den (Nach-)Erfüllungsanspruch geltend zu machen. Ein Vorschussverlangen kann daher nur zu einem Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis führen, wenn der Besteller den (Nach-)Erfüllungsanspruch aus anderen Gründen nicht mehr mit Erfolg geltend machen kann. Das ist etwa der Fall, wenn der Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen, also endgültig und ernsthaft eine (Nach-)Erfüllung durch ihn ablehnt, selbst für den Fall, dass die Selbstvornahme nicht zu einer mangelfreien Herstellung des Werks führt. In dieser Konstellation kann der Besteller nicht mehr zum (Nach-)Erfüllungsanspruch gegen den Unternehmer zurückkehren“ (vgl. BGH, a. a. O.).
Im aktuell entschiedenen Fall hatten die (beklagten) Auftraggeber Schadensersatz verlangt und die Kündigung des Vertrages erklärt, soweit er noch nicht erfüllt war. Ihre Vorschussansprüche haben sie (zunächst) auf ihre Schadensersatzforderung gestützt, womit im Ergebnis die Voraussetzungen eines Abrechnungsverhältnisses vorlagen und die Beklagten einen Vorschussanspruch (ferner) gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB geltend machen konnten, denn nach der Teilkündigung des Bauvertrages hinsichtlich der noch nicht erbrachten Leistungen konnten die Auftraggeber insofern keine Erfüllung mehr verlangen.
Dabei konnte das OLG dahinstehen lassen, ob…
…sich ein Vorschussanspruch auch auf den Schadensersatzanspruch gemäß §§ 634 Nr. 4, 281 BGB stützen lässt. Denn das Schadensersatzverlangen gemäß §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB berührt den Vorschussanspruch gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 BGB nicht (BGH, Urt. v. 22.02.2018 – VII ZR 46/17, NJW 2018, 1463)“.
Konsequenzen für die Praxis…
In der Praxis folgen daraus – je nach Perspektive – unterschiedliche Konsequenzen für den Unternehmer und seinen Auftraggeber:
…für den (Bau-)Unternehmer
Versuchen Sie nicht, die VOB/B in einen mit einem Verbraucher (! – anders bei Unternehmen o. a. Nicht-Verbrauchern) zu schließenden Bau- oder anderen Werkvertrag einzubeziehen, denn das geht im Zweifel schief: Für eine wirksame Einbeziehung der VOB/B müsste ihr vollständiger Text dem Kunden vor oder spätestens bei Vertragsschluss ausgehändigt werden. Wird das vergessen, fehlt es bereits an der wirksamen Einbeziehung. Selbst wenn die aber gelingen sollte, müsste sie vollständig und vor allem unverändert einbezogen werden, denn andernfalls unterfielen sie vollumfänglich der AGB-Kontrolle (da die Klauseln der VOB/B – nüchtern vertragsrechtlich betrachtet – schlicht AGB sind) und die wiederum führte mit Pech zur Unwirksamkeit der einen oder anderen Klausel, die der Inhaltskontrolle (vgl. § 307 BGB) nicht standhalten, weil sie den Besteller gegenüber der gesetzlichen Regelung in unangemessener Art und Weise benachteiligen.
Bemühen Sie sich vor allem aber – auch wenn das banal klingen soll – redlich um eine Erfüllung des Bauvertrags wie von Ihnen geschuldet, insbesondere auch um die Einhaltung eines vertraglich vereinbarten Bauzeitenplans. Sollte das aus von Ihnen nicht zu vertretenden Gründen (Lieferengpässe, Covid-19, sonstige „höhere Gewalt“ usw.) einmal nicht möglich sein, suchen Sie – sobald Sie das Problem erkennen – rechtzeitig das Gespräch mit dem Auftraggeber, um z. B. auf eine einvernehmliche Anpassung des Vertrags hinzuwirken. Im Zweifel wird kein Bauherr Streit suchen, sondern sein Haus möglichst rasch und mangelfrei fertig gebaut haben wollen.
Unterschätzen Sie die Rechtswirkungen der Abnahme (im Rechtssinne! des § 640 BGB) nicht und achten Sie darauf, dass auch tatsächlich in diesem Sinne abgenommen wird. Denn wie nicht zuletzt das Urteil des OLG Düsseldorf zeigt, ist längst nicht alles „Abnahme“, was die Vertragsparteien im Einzelfall aber vielleicht dafür halten mögen (hier die „Hausübergabe“).
Lassen Sie schließlich den Vertrag nicht leichtfertig in das hier behandelte Abrechnungsverhältnis übergehen, es sei denn, das ist tatsächlich gewollt (das kann auch durchaus von Vorteil für den Auftragnehmer sein, je nach Interessenlage).
…für den Auftraggeber
Greifen Sie nicht vorschnell zur Ersatzvornahme, sondern achten Sie darauf, den Unternehmer vorher in Verzug zu setzen. Zeigen Sie dafür Ihrem Vertragspartner Mängel oder zumindest Mangelsymptome konkret an, damit er das prüfen und den Mangel ggf. beseitigen kann. Setzen Sie ihm dafür eine angemessene Frist. Die Frist kann aber z. B. dann entbehrlich sein, wenn ein Bauzeitenplan vertraglich vereinbart ist und der Bauunternehmer hiervon abweicht und es zu einer Bauzeitenverzögerung kommt.
Sie müssen das Werk nicht zwingend abnehmen, um Mängelansprüche nach den §§ 634 ff BGB gegen den Unternehmer geltend zu machen – ganz im Gegenteil sollte die Abnahme wegen der weiteren, eher ungünstigen Rechtsfolgen (etwa Fälligkeit des Werklohns, Übergang des Vertrages aus dem Erfüllungs- in das Gewährleistungsstadium, also auch Beginn der Gewährleistungsfrist) eher vermieden oder im Einzelfall sogar ausdrücklich verweigert werden, solange die Werkleistungen noch mit erheblichen Mängeln behaftet sind.
Ein Anspruch auf Erstattung bereits aufgewandter Kosten kann sich aus den allgemeinen Vorschriften (vgl. §§ 280, 281 BGB) ergeben, z. B. als Anspruch auf Schadensersatz in der Folge des Verzugs des Auftragnehmers.
Wollen Sie darüber hinaus noch vor der Abnahme einen Kostenvorschuss nach § 637 Abs. 3 BGB von dem Auftragnehmer verlangen, um vertraglich von ihm geschuldete Arbeiten im Wege der Ersatzvornahme selbst, aber auf seine Kosten auszuführen oder von einem Dritten ausführen zu lassen, muss der Bauvertrag zuerst in ein bloßes Abrechnungsverhältnis übergehen. Das erreichen Sie z. B. durch die unmissverständliche Erklärung, nicht mehr mit dem Unternehmer zusammenarbeiten zu wollen, also die Ablehnung jeder weiteren (Nach-)Erfüllung durch ihn. Dafür kann eine Teilkündigung des Vertrags Mittel der Wahl sein.
…für beide
Egal ob Auftraggeber oder Auftragnehmer: Für beide gilt, möglichst keinerlei den Vertrag gestaltende (bzw. erledigende…) Erklärungen abzugeben, ohne sich vorher mit dem Bauanwalt ihres Vertrauens abgestimmt bzw. von ihm beraten lassen zu haben. Denn ist die (Teil-)Kündigung erst einmal erklärt, ist das Vertragsverhältnis umgestaltet – und das führt mit Pech zu einem von der erklärenden Partei möglicherweise gar nicht gewollten Ergebnis.
Dr. jur. Christian Behrens LL.M.
Rechtsanwalt und Notar
- Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
- Notar mit dem Amtssitz in Uelzen
- Schlichter für Baustreitigkeiten (SOBau)
- Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg
- Mitglied der ARGE Baurecht im DAV und der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V.
- Ehrenamtlicher Richter des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs (AGH) in Celle