Der neue § 163 Abs. 3 – und andere Änderungen der StPO
Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt änderte der Gesetzgeber bereits im August 2017 die Strafprozessordnung (StPO) u. a. an einer für mögliche Zeugen einer Straftat entscheidenden Stelle (eine erste Berichtigung trat am 01.11.2017 in Kraft). Der neue Abs. 3 des § 163 lautet nun:
(3) Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt. […]
Ursprünglich konnten Vorladungen der Polizei – ähnlich die den Beschuldigten einer Straftat betreffenden – ignoriert werden: Kein Zeuge einer Straftat war verpflichtet, bereits bei der Polizei zu erscheinen und dort Angaben zur Sache zu machen – so sinnvoll und hilfreich das im Einzelfall auch gewesen sein mochte. Nun müssen sie – anders als der Beschuldigte einer Straftat – erscheinen und darüber hinaus zur Sache aussagen (s. o., Hervorhebungen vom Verf.).
Ob es an der mangelnden Mitwirkung möglicher Zeugen in der Vergangenheit gelegen oder andere Gründe gehabt haben mag: Der Gesetzgeber wollte bereits das Ermittlungsverfahren optimieren – und das nicht nur durch eine letztlich potentiell effektivere Vernehmung von Zeugen einer Straftat: Vor allem die „heimlichen Überwachungsmethoden“ weitet das Gesetz aus, denn nun sind Quellen-TKÜ, Staatstrojaner und Online-Durchsuchung zulässig.
In dem am 23.08.2017 verkündeten und am 24.08.2017 in Kraft getretenen „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ (BGBl. 2017 I, S. 3202; Berichtigung vom 01.11.2017, BGBl. 2017 I, S. 3630; Entwurf des Bundesrates, Entwurf der Bundesregierung) sind daneben die Änderungen aus dem „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes (JGG), der Strafprozessordnung und weiterer Gesetze“ (BT-Drucks. 18/11272), der u. a. die Änderungen des § 81a Abs. 2 StPO in Form der Abschaffung des Richtervorbehalts bei bestimmten Delikten enthalten hat, aufgegangen (s. Beschlussempfehlung und Bericht).
Dokumente zum Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens können von der Website des Bundestags heruntergeladen werden.
Konsequenzen für die Praxis
Nicht bei allen Delikten ist eine mögliche eigene Strafbarkeit durch Beteiligung oder gar Mittäterschaft offensichtlich, vor allem nicht bei zahlreichen Delikten des Nebenstrafrechts, etwa bei Wirtschafts-, Steuer- oder Umweltstrafsachen. Daneben ist für Zeugen oft nicht leicht einzuschätzen, ob sie im Zusammenhang mit einer Straftat im Unternehmen eine Ordnungswidrigkeit begangen haben könnten, z. B. Führungskräfte in Betrieben oder Unternehmen durch eine Verletzung von Aufsichtspflichten (§ 130 OWiG).
Schnell kann sich also der ursprünglich „nur Zeuge“ selbst mit einem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren konfrontiert sehen. Bereits vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, rechtzeitig – also deutlich vor dem Termin zur Vernehmung als Zeuge – anwaltlichen Rat und im Bedarfsfall Beistand einzuholen. Denn ein schon vorher bestehendes Recht von Zeugen änderte das Gesetz nicht: Jede Zeugin und jeder Zeuge hat nach wie vor das Recht, sich von einem Rechtsanwalt als Zeugenbeistand zur Vernehmung begleiten zu lassen.
Dr. Christian Behrens
Rechtsanwälte Zimmermann & Manke
- Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
- Dr. jur., LL.M.
- Lehrbeauftragter an der Leuphana Universität Lüneburg und der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften